Wir leben noch

Veröffentlicht in: Barfußlaufen, Sohlenbrenner Tour 2016 | 2

wer hätte das gedacht. Wer hätte sich vorgestellt, dass dieser erste Weg nach oben zum Grenzstein sooo sooo heftig sein würde. Unterbewusst war mir das ja irgendwie klar, aber ich hab das nicht an mich ran kommen lassen.

Die Wirtin sagte uns noch beruhigend, dass alles halb so schlimm wäre, die letzten zwei Kilometer würden dann noch mal richtig steil werden.

Es ist halt eine Einheimische für die Berge ganz normal sind, das hab ich in meine Gedanken irgendwie nicht eingebaut.

Gar nicht. Ich wusste, dass diese erste Etappe heftig werden würde, aber so was.

Los ging es frohen Mutes gemeinsam mit Inken und Rolf den Berg ordentlich runter um auf die geteerte Talstraße zu kommen, alles komplett geschottert. Wie gut, dass wir, eigentlich für Tina die Wanderstöcke mitgenommen haben, mit denen kam ich prima den Schotterberg runter. Wege genau wie ich sie liebe, schmal, schlängeln sie sich durch die Landschaft, dann über einen ordentlichen Bach mit super klarem Wasser auf die Teerstrasse. Weicher glatter Asphalt über bestimmt 6 Kilometer. Immer stetig bergauf, aber harmlos. Langsam wurde es steiler und schottriger, aber oft war die Möglichkeit einer Wiese nebenan, die ich auf dem Hinweg noch gar nicht immer genutzt habe. An irgendeiner Hütte, (ich hab ein wahnsinnig schlechtes Namensgedächtnis) sagte dann die nette Dame von komoot, dass es noch 2 km wären. Allerdings sagte sie uns nicht, dass der Weg so was von steil und so was von steinig sein würde, dass selbst die drei mit Schuhen ordentlich zu kämpfen hatten.

Tina kämpfte sich teilweise rückwärts den Berg hoch, weil noch immer die eine Achillessehne nicht ganz ausgeheilt ist. Das sah manchmal richtig lustig aus, ich denke aber ihr war es nicht nach lustig zumute.

1. Tag

Es kann einfach nicht sein, dass 2 Kilometer so lang sein können. Auf dem Weg nach oben fragte ich mich ganz oft, wie ich da denn wieder runterkommen könnte. Inken und Rolf waren schon lange aus unserem Blickfeld entschwunden. Irgendwann blickte ich hoch, um zu sehen wie und wo es denn weiter gehen würde und sah die beiden auf allen vieren ein Stück hochkraxeln. Ich hielt die Luft an und hoffte, dass Tina das nicht gesehen hatte. Hatte sie nicht 🙂

Viel viel später kam auch noch ein eiskaltes Schneefeld bei dem ich hart an die Grenze der Fußunterkühlung kam. Ging aber grade noch so. Und noch viel viel später, mein Zeitgefühl war mittlerweile schon komplett ausgeschaltet, ich dachte nur noch an jeden einzelnen Schritt, wo ich ihn am besten hinsetzen könnte und an das Ziel, sah mich auf dem Grenzstein völlig erlöst und glücklich rumhüpfend….

Irgendwann kam uns Tobias und Inken entgegen und mir war sofort klar, wir sind am Ziel….. waren wir aber nicht… ätsch.

Die Trifthütte erreichten wir gemeinsam, Tobias war schon vom Grenzstein über ein echt fettes Schneefeld abgestiegen. Fast ein bisschen unglaublich, dass man sich in so einem Niemandsland verabreden und dann auch noch treffen kann.

Ich dachte kurz an das Schneefeld was ich hinter mir hatte, blickte auf das was noch vor mir lag, hörte wie spät es schon war, und schlug spontan vor, den Startpunkt auf das südlichste Gebäude zu verlegen. Es war mehr die Vernunft als der Wunsch. Tina brauchte ein wenig länger für eine Entscheidung. Am Ende waren wir uns zwar einig aber nicht glücklich. Wir hätten das nicht mehr geschafft.

In Gedanken war der Rückweg dann ja mal schnell gemacht.

Pustekuchen, runter waren meine Knie und Beine so schnell am Zittern, meine Kraft einfach am Ende, und die Strecke zog sich und zog sich und zog sich.

Der ach so glatte weiche Asphalt vom Morgen hatte sich in ein paar Stunden in rauhen und unerträglichen Asphalt verwandelt. Ich war so oft es ging auf der Wiese unterwegs sehnte mich nach der Brücke über den Bach, weil ich wusste, dass es dann nicht mehr so weit sein würde.

Die letzen, keine Ahnung wieviel Kilometer netter Schotterweg bergauf haben mir dann den Rest gegeben. Ich wünschte mir ein Feld mit Brennesseln durch dass ich liebend gerne gelaufen wäre. Ich wusste einfach nicht, wohin ich meinen nächsten Schritt machen sollte. Nie wieder würde ich diesen Weg ohne Schuhe gehen, nie wieder. Das ist hiermit öffentlich bekannt gegeben.

Endlich vorm Gasthof angekommen, alle anderen waren natürlich längst angekommen, den Tränen nahe vor Erschöpfung, öffnete sich über mir ein Fenster und Tobias rief locker flockig raus, er wäre in Zimmer Nummer 20.

Was ein Tag, niemals hätte ich gedacht, ich könne heute überhaupt einen Schritt machen. Niemals hätte ich gedacht, dass wir heute tatsächlich weiter gehen, aber wir werden es versuchen.

bo unterschrift

 

2 Antworten

  1. Markus

    Oh je, das macht schon beim bloßen Lesen schon Gänsehaut! Gut daran ist: Es kann nur besser werden! Ich hoffe, Ihr bleibt speziell vor den heftigen Regenfällen, die im Moment durch Bayern toben, weitestgehend verschont! Alles, alles Gute!
    Markus kürzlich veröffentlicht…No feed items at the momentMy Profile

    • Bo

      Hallo Markus,
      danke für deine trockenen Wünsche, leider helfen sie gerade gar nicht. Wir sind täglich pitsch nass, irgendwann sind dann auch die Regenklamotten durch….
      da hilfts nur abwarten bis es mal kurz nicht regnet, Zelt aufbauen und schnell reinhuschen 🙂
      Liebe Grüße von
      Bo

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