Ich hatte wirklich Angst davor, mir war mulmig bis ganz mulmig zumute bei dem Gedanken. Und auf der anderen Seite wollte ich dann auch dass es endlich losgeht. Denn, wer mich kennt, der weiß, wenn mich was anspricht, dann will ich es sofort umsetzen und will wissen, wie das für mich ist. Will meine eigenen Erfahrungen machen, will wissen, wie es sich anfühlt.
Von was ich spreche?
Unterwegs zu sein, ohne Wohnung zu leben, auf relativ wenig Raum zu zweit zu leben ist spannend, bringt immer mal wieder ein paar kleine Herausforderungen mit sich, die sich bis jetzt fast eher in Luft aufgelöst haben, als das sie sich wirklich Herausforderung nennen durften.
Jetzt stellte sich mir allerdings eine wirkliche Herausforderung.
Tina hat, noch bevor wir richtig losgefahren waren, eine Anfrage für eine Ausstellung ihrer Bilder Ende Februar bekommen, die sie auf keinen Fall ablehnen wollte. Sie dachte, sie könnte das in der online Welt alles auch von unterwegs organisieren. Da eine Ausstellung aber nun mal offline und zum Anfassen stattfindet, hat sie sich entschlossen, vor Ort sein zu wollen, und da alles gut vorbereitet werden will und man so eine Ausstellung nicht mal eben aus dem Ärmel schüttelt ist sie gestern nach Lübeck zurückgeflogen. Im Zeitraffer mal eben zack zurück, wofür wir uns für den Hinweg gute 4 Wochen Zeit gelassen hatten.
Für dreieinhalb Wochen wird sie nun in Ruhe alles regeln und organisieren können, bei der Ausstellung live dabei sein können und ein gutes Gefühl haben.
Als ich im Dezember vom Termin hörte hatte ich sofort im Kopf. Nein dafür unterbreche oder beende ich die Tour durch Portugal und Spanien auf keinen Fall, hoffentlich will Tina nicht selbst vor Ort sein. 😉 Dann aber auch gleich: Keine Panik Bo, lass es einfach mal auf dich zukommen.
In der Zwischenzeit formte sich bei Tina der Gedanke vor Ort sein zu wollen. Besser gesagt ihr Gefühl sagte ihr, sie müsse sogar.
Da ich auf keinen Fall ins kalte Deutschland zurück wollte, nicht fliegend, nicht fahrend (das wäre auch völliger Quatsch gewesen) machte ich mich langsam mit dem Gedanken vertraut einfach hier zu bleiben.
Dabei lief es mir eiskalt und dann wieder schwitzend heiß durch alle Zellen meines Körpers. Von ganz ruhig und gespannt, bis ein wenig panisch und ungutem Gefühl im Bauch. Je nach dem, was ich gerade in meinem Umfeld hörte oder las.
Ich hatte Zeit genug, mich innerlich auf die neue Situation vorzubereiten. Kennst du das, wenn du dir alle möglichen Szenarien vorstellst? Also einkaufen, Wassertanken, Diesel tanken, Müll entsorgen, Arbeiten, Stellplatz finden, Internet nachladen…. und so weiter und so weiter….
Irgendwann dachte ich dann: so genug, Tina könnte dann jetzt fliegen. Ich wills jetzt wissen. Ziemlich in zwei Teilen kam ich mir vor. Einerseits wollte ich ja nicht wirklich, dass sie fliegt und andererseits wollte ich unbedingt alleine losziehen. Weil ich ahnte und ahne, dass es eine grandiose, spannende sehr lehrreiche und wichtige Zeit für mich werden würde.
Gestern ganz früh morgens, der Flug ging um 6:45, sodass wir um 5:15 am Flughafen sein sollten, ging es dann los. Ich beobachtete noch, wie Tina mehrmals durch die Sperre lief und wieder zurückkam, bis dann klar war, ihr Gürtel muss es sein. Dann war sie verschwunden und mir wurde klar… jetzt ist es soweit.
Zurück in Wilma dachte ich: so, Bo, jetzt bist du für alles alleine verantwortlich, jetzt musst du alles alleine hinkriegen… und schon kam eine Gegendarstellung von wo auch immer: Bo, du bist doch sowieso immer für alles alleine verantwortlich, wer denn sonst? Ist doch dein Leben und deine Wahl.
Ach ja, stimmt erste tolle Erinnerung. Die zweite: ich kann jetzt tun und lassen, was ich will. Wie geil ist das denn. Und: für alles wird es eine Lösung geben. Höre auf dein Gefühl und alles wird gut sein.
Erstes Gefühl war dann die Müdigkeit, also fuhr ich direkt zum Supermarktparkplatz zurück und versuchte noch ein wenig zu schlafen… es war ein Dösen, mehr bekam ich einfach nicht hin.
Um halb neun wurde es dann hell und da ich einen netten Zettel an Wilma fand, der mich darauf hinwies, dass der Parkplatz nur für Kunden wäre, machte ich mich auf zum ersten ToDo: Wassertanken. Die Stelle war genau dort, und funktionierte genau wie beschrieben und das Überleben war ganz leicht gesichert.
Vor ein paar Tagen hatte ich mal grob geschaut, wo ich denn so hinfahren wollen würde und beschloss es einfach zu versuchen. Wenn mir der Platz nicht gefallen sollte, hab ich immer noch in der Hinterhand den großen Platz in Tarifa an zu steuern, auf dem wir die letzten Tage gestanden hatten. Bei dem es ganz sicher ist, dass ich dort stehen dürfte, von dem mich niemand verjagen würde und an dem ich ev. sogar Menschen treffen könnte, die ich kannte.
Am Platz angekommen… übrigens fuhr ich wirklich unkonzentriert, und erkannte mich gar nicht wieder-so bin ich sonst nicht unterwegs; war mein erster Gedanke, wow, wie schön hier, wie schön ruhig.
Dann checkte ich das Internet, warf den Cube an (unseren Router) und die App, die mir die Daten liefern sollte und war höchst begeistert. Solche Daten haben wir nicht oft. Also Wilma abgeschlossen und einen kurzen Erkundungsgang gemacht.
Ich sehe und höre das Wasser direkt von Wilma aus, während ich arbeite…. wie schön…. ich hüpfe kurz zum Strand und bin begeistert vom feinen Sand.
Mülleimer stehen dort auch zur genüge, ein kurzer Check in google maps zeigt mir, dass es zum Einkaufen nicht weit ist und ich beschließe ein Weilchen zu bleiben und alles mit dem Fahrrad zu erledigen.
Ich sitze ganz beseelt von diesem Ort mit offener Schiebetür auf Wilmas Stufen, da kommt ein älterer Herr auf einem Schimmel dahergeritten und begrüßt mich mit: „Guten Morgen“ ich freu mich voll und reagiere entsprechend mit einem fröhlichen guten Morgen. Als er mich dann auch noch fragt, wie es mir gehe kann ich nicht anders als ein „sehr gut, vielen Dank“ von mir zu geben. Ein kleines feines I-Tüpfelchen für einen Ort an dem ich mich sehr willkommen fühle.
Nach getaner Arbeit will ich kurz zum Strand hüpfen und tue das auch sofort. Kurze Hose und T-Shirt… klaro bei 24 Grad im Schatten…. so geil.
Morgens noch dachte ich, och schade, da hinten am Strand gehts ja gar nicht weiter, wo ich doch so gerne ewig lang an Stränden entlang spaziere. Sehe aber, dass es ev. eine Möglichkeit geben könnte, ein Stückchen durchs Wasser zu gehen. Mal sehen, was mich dahinter erwartet.
Wie gut, dass ich geguckt habe. Ich liebe meine Neugierde.
Da muss wohl mal an der Steilküste ein Castillo oder ähnliches gestanden haben, was mit der Zeit in teilweise ganz schön großen Brocken einfach abgestürzt ist. Lauter gemauerte Teile längs und quer, vom Wasser rund geschliffen ragen in den Himmel oder stehen noch oben an ihrem alten Platz.
Ein Paradies für mich, weil ich nicht nur einfach am Strand entlang laufen kann, sondern den besten Weg über Steine und große abgegangene Brocken oder doch lieber durchs Wasser zu finden. Super schön abwechslungsreich. Oder ich sitze einfach da und gucke mir das Meer an.
Zurück bei Wilma bastel ich weiter an meiner neuen Meditation 🙂 Ich male Wilmas gelben Streifen mit grünen Stiften an. Lange wusste ich nicht, wie und mit was ich anfangen könnte, machte mir aber auch nicht so mega riesen Gedanken darum. Bis eines Tages die Idee des Mandalas durch mein Hirn rutschte und hängen blieb. Ich fühle mich ja überhaupt nicht zur Künstlerin berufen, also gabs vor ein paar Tagen schon einen ersten Strich, der sich, zwar mühselig, aber doch wieder ablösen ließ, so dass ich nichts falsch machen kann.
Immer, wenn ich jetzt Zeit und Lust habe, male ich am Mandala weiter und bin dabei so in Gedanken, so im Hier und Jetzt, dass ich es tatsächlich als Meditation beschreiben kann. Keine Ahnung wie Wilma am Ende aussehen wird, es fühlt sich gut an, das zu tun, denn jetzt wird sie auch von außen noch viel individueller. Tut mir gut, gefällt mir gut – also weiter so.
Wie war der erste Abend, die erste Nacht?
Lesend und denkend und sehr glücklich und dankbar ging der Tag zu Ende. Was ich nie gesehen hätte, da ich auf Tinas Seite des zum Sofa hochgeklappten Bettes saß (dort ist die Lampe) ist diese Spiegelung der Spiegelung im Spiegel.
Die Nacht war sehr ruhig, etwas kopflastig schief, weil Wilma nicht in der Waage war. Ich hab super geschlafen, fühle mich sicher und genau am richtigen Ort.
Eben wurde sogar noch ein Stellplatz frei, der sonnentechnisch und schlaftechnisch noch besser ist, sodass ich gleich rüber gedüst bin. Hier kommt die Sonne nicht den ganzen Tag volle Kanne in die Schiebetür, das wird nämlich ganz schön warm…. und Wilma steht so, dass ich mit dem Kopf etwas höher liege. Ich bin etwas geschützter und steh nicht mitten aufm Markt, sodass ich wirklich meine Ruhe habe.
Gerade wo ich das schreibe, fahren zwei Polizeimotorräder vorbei, schauen, wenden, schauen und fahren entspannt weiter.
Ich brauche keine weiteren Zeichen mehr, dass ich am richtigen Ort bin und dass ich weitere Orte wie diesen entdecken werde. Diese Zeit alleine unterwegs zu sein wird mir noch mal einen riesigen Schritt in mein Selbstbewusstsein und mein Gefühl der Freiheit bringen. Ich freue mich sehr darauf.
Vor ein paar Jahren…. also genaugenommen über 25 Jahren, 😉 hab ich mal einen Versuch unternommen, damals mit Poloautochen und Jugendherbergen alleine zu verreisen. Und stellte dabei fest…. ist nix für mich… nun, da war ich wohl damals einfach noch nicht so weit. Leider hatte ich das viel zu lange in meinen Kopf und in meinem Herzen. Ich bin dankbar für die Möglichkeit diesen Satz jetzt für mich in einen neuen zu verwandeln. Denn ich spüre schon jetzt, dass der alte einfach nicht mehr stimmt.
Wie ist das bei dir? Bist du lieber alleine oder zu zweit oder sogar mehreren unterwegs?
Liebste Grüße aus dem Süden Spaniens von
Spinnerin, Erfinderin, Forscherin, Schreiberin.
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Eva
Tolle Geschichte, Bo. Und dabei hat sie gerade erst begonnen 😉
Wie kommst Du eigentlich mit der Sprache klar?
Ich wünsche Dir viele stille Momente des Seins, nette Begegnungen und eine entspannte Zeit im Süden.
Genieße es, so wie wir den Schnee hier im Allgäu genießen. Wenn schon Winter, dann bitteschön weiß 🙂
Herzliche Grüße, Eva
Eva kürzlich veröffentlicht…Zuckerfrei durch das Jahr – Unser Tagebuch
Bo
Danke dir liebe Eva,
spanisch kann ich nur ein paar Worte, und nach dem ich beschlossen habe ich muss kein spanisch können und mein englisch muss auch nicht perfekt sein, komme ich prima klar. Die Spanier sprechen oft gar kein englisch, aber mit Händen und Füßen, wie man so schön sagt, klappt das eigentlich immer irgendwie.
Und ja ich genieße, danke dir. Habe heute morgen dein Barfussbild aus dem Schnee gesehen…. ich bin sehr froh, dass meine Füße warmen Sand und kühles Wasser unter und um sich haben dürfen 🙂
Liebste Grüße aus der Sonne in den Schnee
Bo
Eva
Hey Bo,
sei froh, dass Du jetzt nicht mit Deinem Bus auf einem Platz irgendwo in Deutschland stehst. Orkan „Sabine“ treibt heute und morgen hier sein Unwesen.
Liebe Grüße und alle guten Wünsche für Dich
Eva
Eva kürzlich veröffentlicht…39. Tag
Bo
Habs schon gehört, liebe Eva. Vor ein paar Tagen hats hier ganz gut gestürmt, aber Wilma steht gut und fest, hat nur nachts ab und an etwas gewackelt, was mich die ersten Male irritiert hat, weil ich dachte, es steht einer draußen und wackelt an Wilma 😉
Froh bin ich sowieso hier zu sein, genau richtig. 🙂
Wünsch dir noch einen tollen Sonntag
Liebe Grüße von Bo
Reini
Hallo, ich bin es wieder einmal. Ich hab ähnliches erlebt. Konnte mir nie vorstellen alleine zu reisen und zu leben. Selbst als Mann, was für viele doch merkwürdig erscheinen mag. Ich mag die Momente, es sind meist nur wenige Tage, an den Wochenenden oder Ferien wenn ich mit meinen T5 unterwegs bin, und recht bescheiden und einfach das Essen zubereite. Abseits vom Alltag, der Arbeitswelt und der 5 Sterne Welt…..die das Arbeitsleben mit sich bringt. Es ist eine persönliche Entwicklung, Zufriedenheit mit sich selbst, sowie gefühlte Dankbarkeit, das ist doch das höchste was es gibt.
Bo
Hallo Reini,
danke für deinen Kommentar. Ja die Dankbarkeit fühle ich im Moment auch sehr sehr intensiv. Und das bei mir und für mich sein.
Ich wünsche dir viele solcher Momente die du beschrieben hast. Sie sind so so wertvoll.
Liebe Grüße von Bo
Barbara Schinowski
Hallo Bo,
Das kenne ich von mir auch: “ Ich fahre allein in den Urlaub… kommste mit?“… mit mir allein finde ich es auch nicht so spannend…
Bo
Hallo Barbara,
danke für deinen Kommentar. Mittlerweile hab ich den alten Satz von mir komplett drehen können. Ich genieße es total alleine zu sein und entgegen aller Berfürchtungen, und trotz, dass ich alle Bücher im Auto schon gelesen habe, hab ich immer irgendwas, was mich beschäftigt.
Und, ich bin so dankbar für diese Möglichkeit und glücklich dazu.
Liebe Grüße und einen schönen Sonntag
Bo
Eva
Wie wunderbar Bo. Kann mich da selbst super wieder erkennen. Ich kenn dich ja gar nicht, aber auf Facebook sind wir befreundet. Da schick ich dir mal ne Einladung in meine ‚geheime‘ Gruppe wo ich über die ‚Reise meines Lebens‘ schreibe…
Bin auch in Spanien, Almeria, falls du oder ihr mal in der Gegend seid…
Liebe Grüße und weiterhin eine spannende Zeit, Eva
Bo
Hallo Eva,
danke, dann bin ich ja mal gespannt auf deine Gruppe und die Reise deines Lebens. Da schau ich doch gleich mal, wo Almeria überhaupt ist 🙂
Spannend wird es bleiben, da bin ich sicher.
Liebe Grüße und noch einen schönen Sonntag
Bo